Wie war's? Ein Interview mit Martin


GT: Die wichtigste Frage als erstes, ihr seid gesund und munter aus dem Yukon zurückgekommen?

Martin: Ja, und gut erholt! Eine Zeit lang dachte ich "die Reise kannst du vergessen", immerhin konnte ich wegen der Knieprobleme von Mitte März bis Mitte Juni nicht vernünftig laufen. Wir sind dann nach der Operation für unsere Verhältnisse viel Rad gefahren um das Gelenk zu trainieren und die Muskeln wieder aufzubauen, und nun hat es trotz des vielen Hockens und Kniens gehalten. Ich bin wirklich sehr zufrieden.

GT: Wie kommt man da eigentlich hin, Yukon, ist das nicht eine endlose Anreise, da will doch außer euch keiner hin?

Martin: (lacht) Da wollen viele hin, Yukon und Alaska sind große Abenteuerspielplätze und gerade bei deutschsprachigen sehr beliebt. Deswegen fliegt in der Saison der Condor auch direkt von Frankfurt nach Whitehorse. Wenn dann allerdings der berühmte "last Condor" im September geflogen ist wird es ruhig.

GT: Wie war das mit dem Losfahren, ist das nicht ein riesiger Schritt vom Schreibtisch in die Wildnis?

Martin: Klar, schon, zumal nach den Luxus-Urlauben der letzten Jahre in Indien mit Super-Hotels und Rundumbetreuung. Manchmal hilft es eine Rolle zu spielen, so wie man sich für die Arbeit am Mopped einen Blaumann anzieht oder für eine Hochzeit schick macht. Ich habe mir für die Reise in Unteregg im Allgäu direkt beim Hersteller einen ganz tollen Outdoor-Hut gekauft. Den habe ich aufgesetzt und schon war ich der große Abenteurer, auf Humboldts Spuren sozusagen.

GT: Und das hat geklappt?

Martin: Nein, kein bisschen. Es war ja von vorneherein klar, dass wir in allen Punkten dazulernen und auch beim Paddeln das schwächste Glied in der Kette sein werden. Als wir am Anfang der Tour Regen, Kälte und vor allem diesen Gegenwind hatten dachte ich "oh man, was hast du da gemacht, wenn das so bleibt schaffen wir das nie". Aber es blieb ja nicht so. Vor allem hatten wir aber eine ganz tolle Gruppe, die uns geholfen, erklärt und wenn es nötig war aufgemuntert hat. Ich habe mich gefühlt wie die Hobbits unter Waldläufern und Elben, und um den Titel des ersten Bandes des Herrn der Ringe zu benutzen - das waren wirklich echte Gefährten mit dem Herz am rechten Fleck, das wissen wir und sind sehr dankbar.

GT: Das heißt ihr seid dann angekommen?

Martin: Zunächst ist alles fremd und anders, vor allem entfremdet man sich von dem, was man selbst zuhause ist. Wir leben in einer desinfizierten und parfümierten Welt und kennen unseren Eigengeruch nicht mehr, nach ein paar Tagen lernt man die Veränderung zu akzeptieren und erkennt, dass es natürlich ist, nicht nach Veilchenwasser zu duften. Man findet sich und seinen Rhythmus. Natürlich weiß man nach einigen Tagen auch besser, was zu tun ist, und die Handgriffe fallen einem leichter.

GT: Du sagst es blieb nicht so, das heißt das Wetter wurde dann besser?

Martin: Ja, viel. Die ganze zweite Woche war optimal und im Grunde hat es bis auf den Einstieg nie richtig stark geregnet, vor allem war es beim Auf- und Abbau immer weitgehend trocken. Unter dem Strich hatten wir richtig Glück mit dem Wetter, das es eine Herbsttour wird und was das im Yukon heißt war ja von vorneherein klar, kein Badeurlaub eben. Und aufgrund der Temperaturen und des trocknen Sommers vorher hatten wir so gut wie keine Moskitos oder Blackflies, ein riesiger Vorteil.

GT: Das heißt eure Ausrüstung hat gepasst? Musstet ihr viel anschaffen?

Martin: Das Meiste hatten wir, hier und da noch das eine oder andere. Ich wollte gerne etwas grüner aussehen, mit meinen Klamotten in Signalfarbe hieß es in Norwegen "nehmt Martin mal in die Mitte, wir wollen Tiere beobachten", das sollte nicht wieder passieren. Die Ausrüstung war in den meisten Punkten sehr gut, das Zelt und die Schuhe dicht, die Schlafsäcke und Bekleidung warm genug, der Rest praktisch. Die Neoprensocken in den Trekkingsandalen waren eine sehr gute Idee. Bei Gegenwind ein Regencape tragen übrigens nicht.

GT: Kommen wir zu eurer Leidenschaft, dem Essen. Drei Wochen Dosenravioli vom Benzinkocher?

Martin: Ach was, überhaupt nicht, wie haben gegessen wie die Götter in Kanada! Es gab weder Fertiggerichte noch einen Bezinkocher, alles wurde frisch und auf dem Lagerfeuer zubereitet. Wir hatten fünf erfahrene, gute Angler und Jäger in der Gruppe, die für wunderbare Nahrungsmittel wie Äschen, Hecht, Waldhühner, Kanadagänse, Hasen, Stachelschwein und Eichhörnchen gesorgt haben. Rainer ist zudem Pilzkenner und außerdem ein hervorragender Outdoor-Koch, da blieben keine Wünsche offen.

GT: Stachelschwein und Eichhörnchen? Und die habt ihr gejagt, zerlegt und gegessen? Ist das nicht irgendwie etwas martialisch, hätte eine Dose Corned Beef nicht gereicht?

Martin: (schnaubt) Was soll das denn heißen? Das Tier lebt in Freiheit, wir jagen und essen es, das ist das Natürlichste der Welt. Martialisch ist der in Plastikfolie eingeschweißte Speck aus dem Supermarkt, eine anonyme Industrieware ohne Bezug zum Tier. Wenn einer sagt "ich esse kein Fleisch" und zieht das durch, ok, Hut ab, kein Thema. Aber wenn Fleisch dann bitte nicht den Jäger oder Metzger einen Mörder nennen und die Bärchenwurst unschuldig im Discounter kaufen. Da geht es auch darum den Wert des Lebensmittels zu schätzen und nicht dumpf in sich hereinzukauen, das fällt alles nicht vom Himmel, außer eben man schießt drauf. Jagen, zerwirken, zubereiten, essen. Mein Körper nimmt die Nährstoffe auf, die das Tier liefert, und davon braucht man bei Kälte und Anstrengung viele. Das ist die ganze Geschichte von A bis Z, die wirkliche Welt.

GT: Ok, nicht aufregen!

Martin: Das Thema hat eine große Bedeutung und die Erfahrung während der zwei Wochen Kanutour war eine sehr interessante und wichtige für uns. Wir sind ja auch Kinder der sogenannten Zivilisation aber das Leben auf die Grundbedürfnisse zu reduzieren - Fortbewegung, Nahrungsbeschaffung, ein Lager bauen - das ist eine mächtige Sache. Wenn du nicht erfolgreich jagst gibts nichts zu essen. Ok, wir hätten trotzdem was gehabt, aber nicht so leckere und wertvolle Sachen. Wenn du dein Feuer nicht anbekommst gibt es kein warmes Essen und dir wird kalt, so ein Lagerfeuer ist mehr als romantische Dekoration, das ist die Seele des Camps. Und der Respekt vor dem Tier, das dich ernährt, ist bei diese Lebensweise eben ein anderer, als wenn du einmal Schnitzel mit Pommes rot-weiß bestellst oder glaubst der Döner kommt vom Dönertier. Deshalb war diese Erfahung für uns so wertvoll.

GT: Vielleicht wechseln wir besser das Thema. Habt ihr denn noch mehr Tiere gesehen, also welche, die ihr nicht...ähm...also nur gesehen?

Martin: Aber ja, gleich am ersten Abend ganz tolle und große Wolfsspuren zum Beispiel, sehr viele Seeadler, unsere ersten freilebenden Bären, große Grizzlies, einen Luchs, Dallschafe, einen Elch und ein Stachelschwein. Man darf sich die Gegend, in der wir unterwegs waren, aber nicht wie einen Safari-Park vorstellen, und wegen der dichten Wälder ist es auch schwieriger etwas  zu beobachten als zum Beispiel in der Savanne oder Steppe.

GT: Und der Bär kam nicht zu nahe?

Martin: Nein, kein Bärenproblem, das sind scheue Tiere, die klopfen nicht jeden Tag ans Zelt. Man sollte trotzdem bestimmte Regeln und Vorsichtsmaßnahmen einhalten, das steht aber in jedem Reiseführer und den Broschüren der Tourist Info. Ganz wichtig ist, dass Bären nur bis 7 zählen können, dieses geheime Wissen teilen aber nicht viele Leute.

GT: Ah ja, klingt logisch. Und die Flüsse, die waren für euch in Ordnung, also anfängertauglich?

Martin: So ganz richtige Anfänger waren wir ja nun nicht, allerdings hat uns das Paddeln auch nie jemand vernünftig erklärt, das war immer learning by doing. Die Strecken von Teslin und Yukon, die wir befahren haben, sind aber wirklich frei von Schwierigkeiten wie Stromschnellen oder Strudeln. Man muss sich zunächst an die schnelle Strömung gewöhnen und den Vorhaltewinkel entsprechend anpassen, wenn es darum geht einem Hindernis auszuweichen oder anzulanden am besten 90° zum Fluss und Gas geben. Wenn jemand allerdings noch nie im Boot saß ist das Yukon Territory im Herbst vielleicht doch nicht ganz die richtige Idee. Ich habe schon Leute Sekunden nach dem Losfahren kentern sehen, das ist bei einer Sommertour auf der Iller lustig und kostet abends eine Runde, bei 0°C am Lagerfeuer die Klamotten zu trocknen ist es sicher nicht.

GT: Und was waren die schönsten Momente der Kanu-Tour?

Martin: Ganz sicher der erste sonnige Tag, der Donnerstag. Plötzlich stimmte alles, die Schneeberge, der blaue Himmel, Sonne, Wärme, kein Lüftchen wehte. Perfekt. Aber auch diese ruhige Stimmung beim Sonnenuntergang in Mason's Landing werde ich hoffentlich lange in Erinnerung behalten, das war sehr kontemplativ und friedlich. Ich weiß nicht, ob die anderen das in diesem Moment auch so empfunden haben, das ist ja sehr individuell. Und natürlich die Abende am Lagerfeuer, das ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Dauerbrenner, die fanden unsere Eltern bei den Pfadfindern toll, die Goldsucher, glaubt man den Versen von Robert Service, auch, und vermutlich waren auch die Kreuzfahrer und Steinzeitmenschen schon ganz angetan. Das ist auch so eine interessante Sache, wir haben in der Zivilisation unser Feuer im Brennwertkessel im Keller versteckt und assoziieren damit jetzt eher Zerstörung und Gefahr. Dabei ist Feuer Leben und Wärme!


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