Kolkata & Taiwan 2023 blog
17. November - Höhepunkte
8:35Uhr,
nicht 8:40Uhr, Taipeh, nicht Yidashao, Dandy Hotel, nicht Chenrg Yuan,
es läuft Jazz, nicht Greensleeves. Trotzdem war der Satzbehälter der
Kaffeemaschine voll, beim zweiten Kaffee, nicht beim dritten, und ich
sagte einer freundlichen Mitarbeitenden Bescheid. Murmeltiertag light.
Draußen
war es kalt, Pullover und Jacke waren nötig, es ist Winter in Taipeh,
etwa 15°, korrekt K für Kelvin wärmer als bei uns zuhause, aber auch
die Temperaturen sind Teil unserer Wiedereingliederungsmaßnahme. Unser
heutiger Ausflug führte uns dann in den Nordosten Taiwans, zunächst
nach Jiufen. Die Gegend kam durch den kolonialen Goldabbau früh zu
Wohlstand, entsprechend bildete sich eine Infrastruktur, die heute
Touristen-Ziel ist. Die "Old Street" mit ihren vielen Läden ähnelt der
Drosselgasse in Rüdesheim oder der bremischen Böttchergasse, und
dementsprechend gut besucht war das Ziel trotz der momentanen
Nebensaison. Und wieder fiel uns auf, dass wir wie schon berichtet auf
dieser Reise vor allem möglichen gewarnt wurden, Bordsteinkanten,
Motorroller, Autos, nassem Untergrund, nicht sichtbaren Schlangen und
tödlichen Insekten, aber nie vor Taschendieben oder sonstigen
Kriminellen. Erstaunlich und beneidenswert.
Da wir etwa eine
Stunde vor dem ganz großen Ansturm angekommen waren bummelten wir
relativ (!) entspannt durch die Gasse, sahen uns die zahllosen
Souvenirläden an, probierten die Sweet Taro Balls von Grandma Lai, die
dort seit 60 Jahren verkauft werden, und genossen die Aussicht auf die
Bucht mit ihren Naturhäfen, die schon die verschiedenen East India
Companies zum Ankern einluden.

Bei
der Abfahrt wurde es voll, am Eingang der Gasse bildete sich ein
dichtes Gedränge, vermutlich immer noch alles entspannt, aber nichts
mehr für uns. Also weiter nach Shifen, wo von den Gleisen des
Regionalzuges jeden Tag Tausende oder Zehntausende Himmelslaternen mit
Wünschen in den Himmel steigen. Pauline, die Chefin der Crazy Horses,
hat diesen Programmpunkt nicht geplant, da sie die Umweltverschmutzung
durch die Laternen nicht unterstützen möchte, Vincent hält das
Kulturgut allerdings für vorzeigenswert. Wir verstehen beide
Standpunkte und meinen, dass es immerhin ein guter Ansatz ist, dass die
Dorfbewohner 5TW$ bekommen, wenn sie eine eingesammelte Laterne
abgeben. Da nach unserer Beobachtung etwa 90% der Laternen im selben,
nahegelegenen Umkreis landen, leicht verdientes Geld und schnell
gesammelter Papiermüll.
Die Betreiber der Laternenfachgeschäfte
sind außerordentlich professionell, so auch Vincents Freunde, und
zahlreiche Fotos mit den eigenen Smartphones gehören zum Service, wenn
man das Flugobjekt für 200TW$ (5,50€) erworben hat. Vor dem Start
schreibt man mit Tusche auf alle vier Seiten Wünsche, für uns sollte es
eine rote Laterne sein, für Gesundheit und Frieden. An uns liegt es auf
alle Fälle nicht, wenn sich die Menschheit weiterhin die Schädel
einschlägt.

Und
dann kam der letzte Programmpunkt der Rundreise mit Vincent, nach 14
gemeinsamen Tagen ein echter Höhepunkt im wahrsten Sinne des Wortes,
wir fuhren zurück nach Taipeh und besuchten "Taipei 101", eine Zeit
lang mit 508 Metern das höchste Gebäude der Welt. Der Aufzug, einst der
schnellste der Welt, katapultierte uns mit 60km/h in kürzester Zeit auf
die Aussichtsplattform im 89. Stockwerk, immerhin 382 Meter über Grund.
Die Höhe ist so absurd, dass noch nicht mal meine eigentlich
zuverlässige Höhenangst in gewohntem Maße ansprang, Gebäude, die man
sonst als Hochhäuser bezeichnet, sehen aus wie Streichholzschachteln.

Nach
diesem Höhepunkt fuhren wir zurück zum Hotel und es kam der Zeitpunkt
des Abschieds, nicht ohne einen weiteren Höhepunkt. Vincent hatte uns
am Anfang der Reise Landkarten von Taiwan gegeben, auf denen mit
farbigen Klebern und Zahlen die Übernachtungsorte markiert sind. Nun
bekamen wir von ihm eine Karte, auf der weitere 84 Kleber alle
Sehenswürdigkeiten auswiesen, die wir besucht haben. Damit nicht genug,
alle 84 Zahlen finden sich in einem handgeschriebenen Reisetagebuch
wieder, in dem alles akribisch notiert ist, was wir wo angesehen und
auch was wir gegessen haben, jede Wurst und jeder Stinketofu auf einem
Rastplatz. Wir haben ja nun wahrlich etliche Reisen dieser Art genossen
aber das hat uns sprachlos gemacht, ein so schönes und aufwändiges
Abschiedsgeschenk haben wir noch nie bekommen und kurzzeitig hatte ich
Tränen der Rührung in den Augen.
Danke, Vincent!
Nach
dem Abschied schritten wir zum abschließenden Höhepunkt der
Gruppenreise, das freundliche Hotelpersonal half uns bei der
telefonischen Reservierung des Tisches für das Abendessen und wenig
später ließen wir uns im Tappanyaki-Restaurant Kyo-to verwöhnen, und
zwar richtig!
