7. November - "...denn gefähliche Stlaße wie flische Pilze.
Denn flische Pilze..."
Dieses
klassische Zitat aus "Eine Leiche zum Dessert" fasst den legendären
Highway 8 schön zusammen, auch wenn Inspektor Wang den Satz nie beenden
konnte und der Zuseher daher nie erfahren hat, was mit frischen Pilzen
los
ist. Aber zunächst sahen wir uns einer ganz anderen Herausforderung
gegenüber, die heiße Schlacht am Frühstücksbuffet. Punkt 7Uhr standen
wir an der Tür zum Speisesaal, die Tür öffnete sich, wir waren sehr mit
uns zufrieden, denn wir waren die ersten und einzigen. An dieser Tür,
auf der gegenüberliegenden Seite wartete eine Busladung Touristen und
stürmte wie beim Schlussverkauf direkt das Buffet. Fassungslos sahen
wir zu,
besetzten erstmal einen Tisch und begaben uns dann zu den
Kaffeemaschinen, die von der Gruppe zunächst unbeachtet blieben, da tun
sich echte
"cultural differences" auf.
Anschließend
versuchten wir an Nahrung zu gelangen, was uns tatsächlich mit
Schwierigkeiten konfrontierte. Eine Menschenkette umzingelte das
Buffet, es wurden keine
Lücken gelassen und es gab keinen ersichtlichen Anfang oder
Einstiegspunkt (sozusagen eine Möbiusmenschkette). Einmal
reingedrängelt gab es Körperkontakt, man hatte
Ess-Stäbchen im Rücken, der Ellenbogen wurde ausgefahren. Schlagartig
brach mein Weltbild zusammen, das sind doch nicht dieselben ruhigen,
disziplinierten und höflichen Taiwanerinnen und Taiwaner, wie in den
letzten fünf Tagen? Waren sie auch nicht, auf ihre Herkunft
angesprochen lautete die Antwort "United States", alo kampferprobte
Exil-Chinesen im
Urlaub.
Kommen wir zu Highway 8, der von 700.000 Soldaten Chiang
Kai-sheks aus dem Fels gehackt wurde, um eine Versorgungs- und
Fluchtroute von West nach Ost im Falle eine Angriffs Maos
zu haben. Auch heute noch handelt es sich um eine spektakuläre
Bergstraße nicht unbedingt üppiger Breite, die die Probleme der
Ingenieure Taiwans verdeutlicht. Ist ein Abschnitt fertiggestellt und
freigegeben rutscht der Hang an anderer Stelle, ständige Erdbeben und
Taifune verändert das Gesicht der Insel, insbesondere im hohen Gebirge,
das zur Ostküste steil abfällt, permanent.
Nächster Stopp nach der aktuell größten Baustelle mit Zeitfenstern für
das
Passieren war dann der Bilv Divine Tree auf 2150m Höhe, 3000 Jahre
alt, leider kann auch dieser Baum, wie schon die Olivenbäume auf Kreta,
seine Geschichte nicht erzählen. Anschließend erreichten wir unser
Ziel,
den Taroko National Park, und legten eine Pause ein, in der wir
süßliche
Grillwürstchen aus Wildschweinfleisch sowie den nicht ohne Grund bei
uns sehr skeptisch betrachteten Stinketofu probierten. Nach dem
Spaziergang zum Xiangde Tempel mit seiner hübsche Pagode gesellten sich
auch die Makaken zu den Touristen und rissen kreischenden Damen das
Mittagessen aus der Hand, unter dem Strich sind die Affen eher ein
Ärgernis und mit Vorsicht zu genießen als eine Bereicherung.
Auf der weiteren Fahrt auf Highway 8 bekamen wir von
Vincent Nachhilfe im Tunnelbau, schließlich war schon sein
Vater
Ingenieur und
hat an Staudämmen mitgearbeitet. Er selbst kennt das Geschäft seit
seiner Kindheit, ist ebenfalls Ingenieur geworden und war 4,5 Jahre bei
zwei Tunnelbauprojekten beschäftigt. Irgendwann haben seine Frau und er
dann beschlossen, etwas zu machen, das ihnen mehr Spaß macht, und das
war eben Gäste durch ihr Land zu führen. Nächster Programmpunkt war
dann zum Thema passend der Tunnel of Nine Turns, den man einige Hundert
Meter durchwandern kann, bevor die Sektion dann erdrutschbedingt wieder
gesperrt ist. 9 ist hier das, was im Arabischen 42 ist, also viel.
Alibaba hatte nicht 42 Räuber sondern viele und der Tunnel hat eben
keine 9 Kurven sondern viele. Und dann schrieb Jimi Hendrix "If 6 Was
9", was machen wir jetzt damit?
Weiter ging es im "schedule", die Buluowan Hängebrücke, eine recht
neue, nicht schwingende, aber trotzdem atemberaubende Konstruktion,
196m lang und 152m über dem Grund. Derzeit endet die Brücke am
gegenüberliegenden Hang, der Pfad dahinter ist, ihr ahnt es, wegen der
Erdrutsche gesperrt. Das bedeutet Tausende Touristen laufen die Brücke
täglich hin und her, einen Zweck im Sinne einer Verbindung stellt sie
derzeit nicht dar. Insgesamt darf man sich die "trails" hier nicht als
naturnahes Abenteuer vorstellen, Taiwan lebt ein unfassbares
Sicherheitsbedürfnis, alles hat Öffnungszeiten, es gibt Regeln,
Schilder, Regeln für Schilder und Schilder für Regeln. Selbst auf der
Brücke soll man sich vor Insekten und Schlangen in Acht nehmen und
permanent weisen Schilder darauf hin, nicht über die Absperrung zu
klettern, um sich die 152m Abgrund im Freifal genauer anzusehen.
Vorerst letzter Programmpunkt war das an der Brücke gelegene Museum für
die hier indigenen Stämme, wie in Australien aboriginals genannt, wo es
zu der Kultur der Kopfjagt, der Gesichtstätowierungen und vielem
anderen Informationen gab, die wir kaum noch aufnehmen konnten.
Schlussendlich
bezogen wir das Taroko Village Hotel mit seinen kleinen Bungalows, eine
wunderschöne Anlage, gebaut von der Regierung, entwickelt und geführt
von einem Han Chinesen, der sich selbst zum Chief erklärt hat, und
ausschließlich Menschen des lokalen Stammes namens Truku beschäftigt.
Hier hatten wir nun eine kurze Pause, bevor um 18Uhr zum sehr leckeren
Buffet gerufen wurde, das nahtlos in eine heitere, engagierte und nicht
zu professionelle Show der hiesigen Kultur überging.
Hört mit uns den "Hunting Song", nicht 4'33' aber wunderbar auf zwei
Xylophonen gespielt. Und beachtet bitte auch die herrlich
selbstironische
Beschreibung auf dem Monitor, wenn das Taiwanischer Humor ist, mag ich
ihn sehr.
Soundscape: Hunting Song
Anschließend gab es nur noch eins, nämlich nach 15 Stunden voller
Eindrücke ab ins Bett, und deshalb wurde der blog auch erstmals nicht
pünklich geliefert.