Kolkata & Taiwan 2023 blog

4. November - Taipeh im Jahre 112

Seit heute 9Uhr beim Frühstück im Dandy Hotel sind wir nun komplett, gegen 6Uhr in der Früh landeten auch Aggi, Christian, Geli und Mike. Nach der Mahlzeit bekamen wir von Vincent, unserem Begleiter für die kommenden zwei Wochen, der Name täuscht, er ist schon Taiwaner, eine erste Einführung zum Land und unserer Reise. Ab 11Uhr unternahmen wir dann eine Stadtrundfahrt durch das Taipeh im Jahr 112, also heute. Taiwan rechnet gerne ab dem Gründungsjahr der Republik China und das war 1911. Und da sind wir schon mittendrin in der komplizierten und sehr politischen jüngeren Geschichte der Insel. Wer mag kann diese wo auch immer nachlesen, ich möchte hier nicht wiederkäuen, was andere verdaut haben, und, ganz wichtig, nach wie vor verdauen.

Wir starteten unsere Taipeh-Erkundung am Lungshan (oder Deutsch eher Longshan, die Sache mit der Transkription ist bekanntlich schwierig) Tempel, aufgrund der Bombardierung durch die US Luftwaffe am Ende des zweiten Weltkriegs (Taiwan war damals japanisch) ist das heutige Gebäude nicht alt, aber bedeutend und sehr schön. Taoismus und Buddhismus treffen sich hier, die Religion in Taiwan ist wie das Land selbst selbst ein Schmelztiegel der Kulturen. Vincent sagte als Richtlinie gilt, wer die Hände beim Gebet faltet ist Buddhist, wer ein Räucherstäbchen benutzt Taoist.

Taipeh Lungshan Tempel

Der Tempel liegt sehr zentral im Herzen Taipehs und ist gut besucht, und das macht die heutige Soundscape wirklich bemerkenswert, nämlich bemerkenswert ruhig und leise. Kommt mit auf einer halbe Umrundung des Tempels! Am Ende hört man das Werfen der Halbmondhölzchen, der Jiaobei, auf den Boden. Damit wird eine Gottheit befragt, je nach dem, wie die Hölzchen liegen bleiben, fällt die Antwort auf die gestellte Frage aus.

Soundscape: 4'33'' Lungshan Tempel Taipeh



Nächster Programmpunkt war das Bo-Pi-Liao historische Viertel, in dem versucht wird, die Vergangenheit zu konservieren, zumindest der verschwindend kleine Teil der Bausubstanz, die Kriegen, Erdbeben aber vor allem dem Glauben der Taiwanerinnen und Taiwaner an das Gute im Fortschritt getrotzt haben. Anschließend fuhren wir zum Chiang Kai-shek Memorial, eine monumentale Halle mit Reliquien des großen aber längst nicht mehr unumstrittenen Führers. Natürlich ist der Ort Gegenstand heftiger politischer Debatten, der Platz wurde bereits in "Platz der Freiheit" umbenannt, die riesige Statue soll eventuell auch aus der Halle entfernt werden. Geschichte muss aufgearbeitet werden und sie darf nicht verschwinden, Kultplätze braucht man auf der anderen Seite aber auch nicht. Überall dasselbe, ein schwieriges Thema, gerade wir, die wir 25 Jahre nach dem Naziterror im Glashaus geboren wurden, sollten und wollen nicht mit Steinen werfen (#NieWiederIstJetzt).

Beeindruckend ist die Anlage aber in jedem Fall, und wenn man weiß, wo man suchen muss, sieht man auf dem Bild etwa in der Mitte ganz klein am Horizont auch Taipeh 101.

Chiang Kai-shek Memorial

Letzter Halt der Tour war dann am Präsidentenpalast. Halt. Das ist jetzt mal kein Genderzeugs, es ist derzeit der Präsidentin-Palast, Tsai Ing-Wen heißt die Dame. Ist nun mal so, auch wenn Ihr kein Genderzeugs mögt.

Wieder zurück am Hotel hielten wir mit Vincent noch eine schnelle Lektion in chinesischer Sprache ab, wir bemühen uns, aber es fällt uns schwer.



Die heute angekommenen der Gruppe ruhten sich dann auf den Zimmern etwas aus, Ratri und ich besuchten ein Einkaufszentrum, das nicht weit vom Hotel liegt. Unter einem Dach sind, anders als in unseren traditionellen Kaufhäusern, Hunderte kleiner Geschäfte, die aber eigenständige Inseln im Haus bilden, untergebracht. Auf einer Insel gab es wissenschatfsnahes Spielzeug und Artikel, die mit dem Slogan "Science Is The New Sexy" beworben wurden, und wir erwarben zwei sehr nette, wenn auch was Größe und Gewicht angeht zugegeben etwas unpraktische Souvenirs. Ziel war aber der Eslite Bookstore, den wir schon gestern entdeckt hatten. Was soll ich sagen, wenn die Größe von Buchläden, das Angebot und die Anzahl interessierter Besucherinnen und Besucher ein Maß für die kulturelle Begeisterung eines Landes darstellen, und das glaube ich, dann ziehe ich meinen Hut vor Taiwan. Beeindruckend!

Am Abend folgte ein erster Höhepunkt der Reise, unsere Street Food Tour auf dem Nachtmarkt von Shilin. 500TWD (Taiwan Dollar), ungefähr 14€, standen pro Person im Budget zum Verfressen zur Verfügung, und obwohl wir uns alle Mühe gaben und noch mit Bier nachhalfen, haben wir das woh eher nicht geschafft. Es war ein sehr gelungener Streifzug durch die taiwanischen Gaumenfreuden:
Shilin Nachtmarkt

Letzte Aktion für Ratri, Christian und mich war ein Absacker in der Nep.Lounge Bar gegenüber des Hotels, eine recht edle Kellerbar mit an der Decke aufgehängten Aquarien, sehr umfangreicher Getränkekarte und angemessen edlen Preisen. Wir lauschten noch etwas Amy Winehouse, beobachteten den Barmann bei der Zubereitung farbenfroher und uns unbekannter Shots, beließen es bei zwei Bier und einem Weißwein, verpassten damit den Mindestverzehrbetrag pro Person, der an Wochenenden gilt, wurden aber als Neulinge in der faszinierenden Welt von Taipeh im Jahr 112 begnadigt und haben "nur" bezahlt, was wir getrunken hatten. Was für ein überaus facettenreicher und begeisternder Tag! Danke, Taipeh!



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