Seit heute 9Uhr beim Frühstück im Dandy Hotel sind wir nun komplett,
gegen 6Uhr in
der Früh landeten auch Aggi, Christian, Geli und Mike. Nach
der Mahlzeit bekamen wir von Vincent,
unserem Begleiter für die kommenden zwei Wochen, der Name täuscht, er
ist schon Taiwaner, eine erste Einführung zum Land und unserer Reise.
Ab 11Uhr unternahmen wir dann eine Stadtrundfahrt durch das Taipeh im
Jahr
112, also heute. Taiwan rechnet gerne ab dem Gründungsjahr der Republik
China und das war 1911. Und da sind wir schon mittendrin in der
komplizierten und sehr politischen jüngeren Geschichte der Insel. Wer
mag kann diese wo auch immer nachlesen, ich möchte hier nicht
wiederkäuen, was andere verdaut haben, und, ganz wichtig, nach wie vor
verdauen.
Wir starteten unsere Taipeh-Erkundung am Lungshan (oder Deutsch eher
Longshan, die Sache mit der Transkription ist bekanntlich schwierig)
Tempel, aufgrund der Bombardierung durch die US Luftwaffe am Ende des
zweiten Weltkriegs (Taiwan war damals japanisch) ist das heutige
Gebäude nicht alt, aber
bedeutend und sehr schön. Taoismus und Buddhismus treffen sich hier,
die Religion in Taiwan ist wie das Land selbst selbst ein Schmelztiegel
der Kulturen. Vincent sagte als Richtlinie gilt, wer die Hände beim
Gebet faltet ist Buddhist, wer ein Räucherstäbchen benutzt Taoist.
Der Tempel liegt sehr zentral im Herzen Taipehs und ist gut besucht,
und das macht die heutige Soundscape wirklich bemerkenswert, nämlich
bemerkenswert ruhig und leise. Kommt mit
auf einer halbe Umrundung des Tempels! Am Ende hört man das
Werfen der Halbmondhölzchen, der Jiaobei, auf den Boden. Damit wird
eine Gottheit befragt, je nach dem, wie die Hölzchen liegen bleiben,
fällt die Antwort auf die gestellte Frage aus.
Soundscape: 4'33''
Lungshan Tempel Taipeh
Nächster Programmpunkt war das Bo-Pi-Liao historische Viertel, in dem
versucht wird, die Vergangenheit zu konservieren, zumindest der
verschwindend kleine Teil der Bausubstanz, die Kriegen, Erdbeben aber
vor allem dem Glauben der Taiwanerinnen und Taiwaner an das
Gute im Fortschritt getrotzt haben. Anschließend fuhren wir zum Chiang
Kai-shek Memorial, eine monumentale Halle mit Reliquien des großen aber
längst nicht mehr unumstrittenen Führers. Natürlich ist der Ort
Gegenstand heftiger politischer Debatten, der Platz wurde bereits in
"Platz der Freiheit" umbenannt, die riesige Statue soll eventuell auch
aus der Halle entfernt werden. Geschichte muss aufgearbeitet werden und
sie darf nicht verschwinden, Kultplätze braucht man auf der anderen
Seite aber auch nicht. Überall dasselbe, ein schwieriges Thema, gerade
wir, die wir 25 Jahre nach dem Naziterror im Glashaus geboren wurden,
sollten und wollen nicht mit Steinen werfen (#NieWiederIstJetzt).
Beeindruckend ist die Anlage aber in jedem Fall, und wenn man weiß, wo
man suchen muss, sieht man auf dem Bild etwa in der Mitte ganz klein am
Horizont auch Taipeh 101.
Letzter Halt der Tour war dann am Präsidentenpalast. Halt. Das ist
jetzt mal kein Genderzeugs, es ist derzeit der Präsidentin-Palast, Tsai
Ing-Wen heißt die Dame. Ist nun mal so, auch wenn Ihr kein Genderzeugs
mögt.
Wieder zurück am Hotel hielten wir mit Vincent noch eine schnelle
Lektion in chinesischer Sprache ab, wir bemühen uns, aber es fällt uns
schwer.
Die heute angekommenen der Gruppe ruhten sich dann auf den Zimmern
etwas aus, Ratri und ich besuchten ein Einkaufszentrum, das nicht weit
vom Hotel liegt. Unter einem Dach sind, anders als in unseren
traditionellen Kaufhäusern, Hunderte kleiner Geschäfte, die aber
eigenständige Inseln im Haus bilden, untergebracht. Auf einer Insel gab
es wissenschatfsnahes Spielzeug und Artikel, die mit dem Slogan
"Science Is The New Sexy" beworben wurden, und wir erwarben zwei sehr
nette, wenn auch was Größe und Gewicht angeht zugegeben etwas
unpraktische Souvenirs. Ziel war aber der Eslite Bookstore, den wir
schon gestern entdeckt hatten. Was soll ich sagen, wenn die Größe von
Buchläden, das Angebot und die Anzahl interessierter Besucherinnen und
Besucher ein Maß für die kulturelle Begeisterung eines Landes
darstellen, und das glaube ich, dann ziehe ich meinen Hut vor Taiwan.
Beeindruckend!
Am Abend folgte ein erster Höhepunkt der Reise, unsere Street Food Tour
auf dem Nachtmarkt von Shilin. 500TWD (Taiwan Dollar), ungefähr 14€,
standen pro Person im Budget zum Verfressen zur Verfügung, und obwohl
wir uns alle Mühe gaben und noch mit Bier nachhalfen, haben wir das woh
eher nicht geschafft. Es war ein sehr gelungener Streifzug durch die
taiwanischen Gaumenfreuden:
Gegrillte Wurst, etwas süßlich
Dumplings gedämpft mit leicht scharfem Hackfleisch gefüllt
Gegrillte Spieße, teilweise Lamm, mit Pilzen und
Frühlingszwiebeln
Classic Taiwan Bier
Frittierte Wachteleier am Spieß
Gebratene Dumplings
Frittierte Kartoffeln am Spieß
Shrimps mit Ei
Classic Taiwan Bier
Krabbenfleisch mit Pfeffer
Rindfleisch gegrillt/flambiert mit Teriyaki-Sauce und
Taiwan spicy
Letzte Aktion für Ratri, Christian und mich war ein Absacker in der
Nep.Lounge
Bar gegenüber des Hotels, eine recht edle Kellerbar mit an der Decke
aufgehängten Aquarien, sehr umfangreicher Getränkekarte und angemessen
edlen Preisen. Wir lauschten noch etwas Amy Winehouse, beobachteten den
Barmann bei der Zubereitung farbenfroher und uns unbekannter Shots,
beließen es bei zwei Bier und einem Weißwein, verpassten damit den
Mindestverzehrbetrag pro Person, der an Wochenenden gilt, wurden aber
als Neulinge in der faszinierenden Welt von Taipeh im Jahr 112
begnadigt und haben "nur" bezahlt, was wir getrunken hatten. Was für
ein überaus facettenreicher und begeisternder Tag! Danke, Taipeh!