20. Heidelberger Orientierungsfahrt 2003


Weniger ist manchmal mehr. Gilt für das Gewicht des Moppeds, des Gepäcks, für das eigene natürlich auch, oft auch für Hubraum und Leistung, ganz sicher für ein großes Maul und ab und zu auch für den eigenen Ehrgeiz. Was es damit auf sich hat und wie wir das gelernt haben hängt mit einem Ereignis zusammen, das wir am 5. Juli 2003 besuchen durften, nämlich der 20. Heidelberger Orientierungsfahrt.

Zum 20. Mal rief Hans und etliche kamen, auf großen und auf kleinen Moppeds, auf Gespannen, alleine oder zu zweit, alle gut gelaunt und erwartungsvoll. Wir waren das erste Mal dabei, Viktor (von der Algerien-Reisegruppe) hatte uns eingeladen. Um mehr oder weniger 10Uhr sammelte man sich bei Hans in Großsachsen und es wurde gefrühstückt, dann startete die Jubiläums-Orientierungsfahrt, die dieses Jahr aufgrund des freudigen Anlasses sogar ohne Startgeld ausgetragen wurde. Jeder bekam ein Fragenheft, das in der Tat sowohl bei Einheimischen und erst recht bei Ortsfremden so manche Frage aufwarf. Zwar hatten wir aufgrund der Einladung halbwegs gutes Kartenmaterial dabei, aber hier war schon etwas mehr als nur das Ablesen eines Ortsindex gefragt. Zu denken gab uns auch die Einleitung: "Alle Aufgaben sind unfair, die Preisrichter bestochen und der Veranstalter ein Sadist. So isses halt im Odenwald."

Gegen 11Uhr setzte sich der Tross in Bewegung und ein dumpfes Grollen ließ Großsachsen für kurze Zeit erbeben bevor alle O-FahrerInnen sich auf den Weg machten, die Aufgaben zu lösen und um Ruhm, Ehre, aber vor allem viel Spaß zu kämpfen - und das ohne Zeitdruck. Eine Wertung, die zum Schnellfahren animieren würde, gab es nicht.

Zunächst galt es eine Stadt zu finden, in der es eine von der UNESCO 1991 zum Weltkulturerbe erklärte "Königshalle" gibt. Als kleine Hilfestellung war ein Standbild abgedruckt, das in dieser Stadt steht, die Frage aber war wie die Einwohner der Stadt im Volksmund heißen. Völlig ratlos übernahmen wir die Meinung der Majorität und fuhren im Dreierteam Viktor, Ratri und Martin nach Lorsch. Dort angekommen fragten wir wahllos Passanten und legten uns schließlich darauf fest, dass Lorscher wohl "Sandhasen" heißen oder sind, warum auch immer.

Weiter ging es zu einem Ort, der ursprünglich mal aus Groß-Hausen und Klein-Hausen bestand, nahe lag da geografisch wie auch inhaltlich Einhausen, etwas NW von Lorsch. Die Einhausener konnten uns dann auch schnell beantworten, dass sie zu diesen am 1.4. 1937 geworden waren und somit ihre große oder kleine Identität für immer verloren hatten.

An der Wallfahrtskirche "Maria Einsiedel", deren Lage sowohl die Sandhasen als auch die Zwangs-Einhausener selbstverständlich auch kannten, fanden wir dann die Gedenktafel für eine unbekannte Katharina Blum - damit war auch klar, welchen Roman von Heinrich Böll Hans von uns wissen wollte und so verloren wir auch bei dieser Aufgabe nicht unsere Ehre.

ori_hd_2003_titel.jpgEtwas schwieriger wurde es dann schon auf Schloss Auerbach, stand doch die gefragte Tiefe des Brunnens weder an diesem noch auf der Tafel mit der Abhandlung der Geschichte des Gemäuers. Experimente mit herabfallenden Steinen und eifrige Rechnereien wurden durchgeführt, wie immer rätselten alle Anwesenden zusammen, so macht es mehr Spass und gemeinsam sind wir stark oder wenigstens etwas stärker. Da diese Experimente keine eindeutige Antwort liefern konnten wurde der Schlossverwalter oder Hausmeister oder was auch immer befragt. Gemäß seiner Auskunft war der Brunnen um die Jahrhundertwende noch 65m, bei der letzten Messung aber nur noch 25m tief, jetzt schätzt er ihn auf etwa 20m.

Vom Parkplatz des Schlosses Auerbach startete nun eine Chinesenrallye, die uns im Roadbook-Stil 3,1km zum Fürstenlager brachte. Den Namen des Großherzogs, der das schöne Fleckchen Erde zum Staatspark ausbauen ließ, fanden wir schnell, das war der "lange Ludwig" (was an ihm lang war stand allerdings nirgendwo). Mit dem Gedenkstein für Willi Giesin taten wir uns schon deutlich schwerer, wussten wir doch nur, dass Stufen zu ihm führen, die wir zählen sollten. 135 Stufen waren es zum Friedhof und darauf nochmal viele, um alle Gräber zu inspizieren - aber keines gehörte Willi Giesin. Ich konnte mir vorstellen, wie Hans es freuen würde, wenn er wüsste, wie wir schwitzend in den Moppedklamotten über den Friedhof jagten. Den Gedenkstein haben wir nicht entdeckt, der hing wohl auf etwa halbem Wege und war deutlich undeutlich mit Moos überwachsen. Eine Schätzung musste also her, unterstützt von den wie immer offenen Antworten der anderen Teilnehmer.

Über die Autobahn ging es aus dem NW zurück nach Heidelberg, wo uns in einem ehemaligen Güterbahnhof oder ähnlichem Renate & Hans mit Spaghetti und Kuchen empfingen. Nach dem Mittag kamen dann die Sonderprüfungen: Erriechen von sechs Duftproben in Filmdosen, darunter so exquisite Noten wie Heizöl, erhören von Tönen, die ein kräftig geschleuderter Plastikschlauch erzeugen kann und Plastikflaschen mit einer Fußluftpumpe in ein Ziel schießen. Hier unterlief Ratri ein wahrscheinlich entscheidender Fehler, sie traf mit der Flasche das Ziel!

Bevor sich alle O-FahrerInnen wieder auf den Weg machten gab es noch ein Geschenk für Hans. Sozusagen als kleine Rache für den extrem sperrigen und schweren Pokal, den eigentlich niemand wollte, wurde ihm ein liebevoll aus Reifen zusammengebautes und überhansgroßes Michelin-Männchen, das "Hanselin" überreicht bzw. einfach hinter seinen Bus gestellt, damit auch er mal ein Transportproblem auskosten durfte. Zusätzlich durfte er noch ein kleines Quiz lösen, in dem es mit Hilfe von wohl portionierten Hinweisen ein Mopped zu erraten galt, damit auch seine grauen Zellen an diesem Tag etwas Beschäftigung hatten.

Der zweite Teil der O-Fahrt führte uns in den schönen Odenwald SO und NO von Großsachsen. Bis dahin war es trocken geblieben und so genossen wir trotz allen Eifers, unsere GlobeTrottel-Ehre zu verteidigen, die herrlichen, kurvenreichen Strecken. 5,5km von Heidelberg stromaufwärts blickt der Neckarschiffer auf ein Klerikalgebäude hieß es und dieses Gebäude war bis 1560 eine Nonnenabtei, wie wir herausfanden, und damit waren wir wieder einen Schritt näher am Ziel. Nur einige Kilometer von Viktors Zuhause entfernt liegt der Waldparkplatz "langer Kirschbaum", also auch kein Problem diesen und seinen Namen zu finden. Auch recht einfach gelangten wir zur Steinachquelle und der Holzplastik von Bernhard Apfel, dessen Name gut lesbar auf einer Plakette an eben dieser Plastik prangt.

Knifflig wurde es dann wieder zwischen Aschbach und Olfen, wo es einst einen Weiler gab, der jetzt nur noch ein einziges Haus ist. Nach Befragung einiger Anwohner entschieden wir uns für Ellenbach, lagen damit aber knapp daneben. Das Wetter meinte es jetzt nicht länger gut mit uns und so kam auch die Regenkombi, oder wie es im Jubiläums-Lied der alten O-Fahrts-Leut so schön heißt das "Ganz-Körper-Condom gegen Flüssigsonne" zum Einsatz.

Während wir so im Bushäuschen pausierten griffen wir dann zum allseits beliebten Telefonjoker und riefen Ratris Mutter an, um herauszufinden, wie denn der Zeiger einer Sonnenuhr heisst. Auch wollten wir gerne wissen, welche Augsburgerin denn auf Burg Lindenfels im 15. Jahrhundert sieben Jahre lang gefangen gehalten wurde. Ergebnis war ein Gnomon und Agnes Bernauer (der/die/das Gnomon ist der Zeiger und war nicht eingesperrt). Auf Burg Lindenfels gab es dann leider keinen Hinweis auf irgendwelche ehemaligen Kerkerinsassen oder -insassinnen, dafür aber einen wunderbaren Ausblick, der alleine schon den kurzen Aufstieg rechtfertigte. Wie einige Mitstreiter herausfanden konnte uns aber der Wirt unterhalb der Burg helfen und tat das auch gerne und immer wieder, wobei er seinen Triumph von Gruppe zu Gruppe mehr auszukosten schien. Auch seine wenigen Gäste hatten nicht nur viel Spaß an ihrem Schoppen Wein sondern auch an den Geschichststunden für Moppedfahrer, die nachher mehr über Klara Dett wussten, als nur den Namen. Agnes Bernauer war wohl noch einmal davon gekommen oder saß an einem anderen Ort hinter Gittern.

Spät war es schon geworden und so langsam stellten sich auch Hunger und Durst ein, nur noch schnell nach Mörlenbach und irgendwie herausfinden, welchen pH-Wert die Weschnitz dort hat. Auf dieser Etappe legte sich Viktors Harley dann richtig ins Zeug und lieferte uns eine typisch amerikanische Show-Einlage. Auf Funkenflug in voller Fahrt folgte heftige Rauchentwicklung und schließlich schlugen Flammen unter der Sitzbank hervor. Wie so oft im Leben überkam uns nach dem Schreck die Erkenntnis, die Isolation des Batterieanschlusses war durchgescheuert und ein kapitaler Kurzschluss hatte der Gelbatterie soviel Strom entlockt, dass einiges geschmolzen und abgebrannt war. Eben typisch amerikanisch, viel Rauch um nichts, nur das die Ursache dieses Malheurs weniger born in the USA sondern made by Viktor war. Nach ca. 1,5h und einigen Experimenten mit Bestandteilen eines Maschendrahtzauns war der Dampfhammer dann wieder startklar und mit geratenem pH-Wert und leerem Bauch ging es zurück nach Großsachsen, wo Lagerfeuer, das Jubiläumslied der O-Fahrtsleut, Grill und Bier schon auf uns warteten.

Die Stimmung war natürlich prächtig, fast alle O-FahrerInnen waren schon wieder eingetroffen und tauschten Erlebnisse und Ergebnisse aus. Dann folgte die große Preisverleihung, von der niemand ausgenommen wurde. Vom Letzten bis zur Ersten gab es viel Nützliches und weniger Nützliches, auf jeden Fall schöne Erinnerungen an einen tollen Tag. Uns wurde unser Neulings-Elan dann doch noch ein bißchen zum Verhängnis, neben einer recht handlichen "Fast Forne"-Trophäe für Martins vierten Platz und zwei "Nicht letzter"-Uhren gab es für Ratri den bleischweren und sperrigen Sieger-Wanderpokal!

Somit wurde also bei der 20. Ausgabe der Heidelberger Orientierungsfahrt der Pokal aus dem Odenwald ins Schwabenländle entführt - wir werden ihn, wenn wir ihn von Viktor abgeholt haben,  traditionsgemäß "verschönern" und selbstverständlich nächstes Jahr wieder mitbringen - zur 21. Heidelberger Orientierungsfahrt 2004. Möge die/der Beste gewinnen -  aber manchmal, ja manchmal ist weniger mehr...



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