Nepal & Kolkata 2019 blog

24. Oktober

Ein Tag ohne Anfang und Ende

Kolkata ist eigentlich nie besonders hell oder sonnig, dafür ist es am Golf von Bengalen zu feucht und zu dunstig, außerdem ist da der Smog. Heute regnete es durchgehend und es wurde daher gar nicht Tag. Das hat nichts mit Monsun zu tun, es regnete einfach, bei uns würde man von einem norddeutschen Landregen sprechen, der melancholisch vor sich hin tropft, scheinbar ohne Anfang und Ende. Ich habe in Kolkata das eine oder andere Spätmonsun-Gewitter erlebt, Landregen aber noch nie. Er verändert die Stadt wie er es mit jeder anderen auch tun würde, macht sie trister, trauriger, vielleicht verzweifelter. Kolkata im Regen fühlt sich aber nicht an wie ein 5000 Seelen Ort im Bergischen Land bei typischem Niederschlag und 28°C, denn hier ziehen sich nicht alle in ihre Häuser zurück, das Leben bleibt in weiten Teilen gezwungernermaßen auf den Straßen, nur unter Planen, Hausvorsprüngen oder sonstigem Schutz.

Nachdem wir uns beim Frühstück nur mit etwas Obst und Tee gestärkt hatten waren wir pünktlich um 12Uhr bei Dua, Pali und Sagar, tauschten Neuigkeiten aus, überbrachten Grüße, nahmen diese entgegen und sahen gemeinsam Bilder an. Wie immer wurden wir leckerst bekocht, Aubergine in Senföl gebraten, Linsen mit Blumenkohl, ein Gemüsecurry, der schon legendäre Fisch mit der definitionsgemäß einen Gräte und große, wohlschmeckende Shrimps aus dem warmen Wasser des Golfs von Bengalen, zubereitet in einer Sauce mit Kokosnuss und Mohn, eine Delikatesse.

Da ich sprachlich etwas wenig beitragen kann, zwar vermag ich der Unterhaltung meist zu folgen, beschränke mich aber auf sporadische Einwürfe in englischer Sprache, schweifen meine Gedanken bei diesen Besuchen meist etwas ab. Tatsächlich werden wir jetzt noch zwei Tage in Kolkata verbingen und dann am Sonntag nach Hause fliegen, und das mit wenig Heimweh, wenn wir auch unsere Instrumente und das Musizieren beide sehr vermissen. Es gab Urlaube, bei denen dieser Rückflug irgendwann nötig wurde oder gerade zur richtigen Zeit kam, momentan kann ich mir den erneuten Wechsel der Welten noch nicht vorstellen, finde keinen Zugang zu der Tatsache, dass wir am Montag in unserem Supermarkt einkaufen, am Dienstag schon wieder vier oder fünf Termine wahrnehmen und am Mittwoch zur Arbeit gehen werden. Auch der Bassunterricht am Donnerstag und die ebenfalls erfreuliche Tatsache, dass wir am Feiertag nach Erlangen fahren werden, liegen Lichtjahre entfernt.

Ich weiß aber auch, dass dieser Zauberapparat Flugzeug uns nicht nur etliche Tausend Kilometer weit transportieren wird, er wird gleichzeitig zur Reise durch den Raum auch durch die Zeit gleiten, oder gar in ein paralleles Universum. Ich weiß wie es sich anfühlt in New Delhi am Gate zu warten, mit einem Capuccino in einem Pappbecher, auf dem Monitor steht "Frankfurt". In dem Moment werde ich zerrissen, ein Teil von mir bleibt zurück, manchmal erfolgt dieser Riss unter Schmerzen, manchmal mit Erleichterung. Mal blicke ich mich noch einmal um, mal nur nach vorne. So wird es auch dieses Mal wieder sein.

Zurück in die Gegenwart, da wir den ganzen Nachmittag ausreichend ernährt wurden fehlt uns nun jegliches Hungergefühl und damit auch die gewohnte Struktur für den Abend. Vermutlich werden wir noch auf dem Balkon sitzen und BYOB praktizieren, das ist keine neue Yoga-Richtung sondern steht in Anlehnung an andere bekloppte Abkürzungen unseres beruflichen Alltags für "bring your own beers". Sollte uns doch noch die Naschsucht packen gibt es nebenan ja Raj's Spanish Café mit einer Tortilla, irgendwie werden wir den Tag verbummeln, der so gar keinen Anfang und kein Ende hat.



- zurück zur Nepal 2019 Blog Startseite -

- Startseite -