23.11. 2014
Um 10Uhr trafen wir uns mit Uwe zum nature walk, einer zweistündigen
Wanderung durch den die Plantage umgebenden Wald. Wir waren die
einzigen Teilnehmer, was die Sache natürlich sehr angenehm
gestaltete und uns die ungeteilte Aufmerksamkeit unseres Führers
Pradeep, den wir schon von der gestrigen plantation tour kannten,
sicherte. Die Führer arbeiten hier übrigens seit vielen Jahren,
teilweise Jahrzehnten, und stammen alle aus der Region, es werden also
nicht permanent wechselnde Animatuere angeheuert sondern fachkundige
Einheimische mit langfristiger Perspektive.
In der Region Kodagu kann man viele Reptilien und Amphibien, es gibt
sogar eine "frog finder App", 306 Vogelarten und auch wilde Elefanten
finden, von denen über 600 rund um die Plantage leben und teilweise
Probleme bereiten. Die Elefanten fressen gerne Jack-Frucht und Gras von
der Plantage und versuchen nachts an diese Leckereien zu gelangen,
daher gibt es einen Graben, den die Elefanten aber mit Erde
zuzuschütten versuchen, um über das Hindernis gehen zu können.
Auf der Wanderung sahen wir Spinnen, die Nester von Papierwespen und
Pakora-Ameisen, die
mit Kuhdung wasserdichte Behausungen bauen, den sogenannten "watermaker
tree" (Mathi Baum), den die Einheimischen im Sommer als Wasserquelle
nutzen, Affen, bunte Papageienvögel, einen wunderschönen, großen Specht,
herrliche Schmetterlinge, anmutige Libellen und vieles mehr. Als wir
auf eine kleine Portion frischen
Elefantendung stießen wurde Pradeep hellwach, denn es handelte sich
vermutlich um einen Einzelgänger, also einen Bullen, der sich noch ganz
in der Nähe aufhalten könnte. Schließlich gelangten wir als Umkehrpunkt
des Ausflugs zu einem
kleinen Dorf, in dem die Bewohner unter anderem weißen Kürbis und Reis
anbauen, der gerade gedroschen wurde. Pradeep erklärte uns die Ökologie
von Reis und wie wichtig die Libellen zu dessen Bestäubung sind. Auch
die Dorfbewohner haben mit den Elefanten ihre liebe Not, überall sind
Hochsitze zur Wache und "Elefantenverscheuchanlagen" installiert, lange
Drähte, die
zu Glocken und anderen lärmenden Einrichtungen führen, und bei Bedarf
betätigt werden.
Als etwas eigenartig empfand ich unsere Freude an dem im Dorf gehaltenen
Schwein. Diese Borstenviecher sind nett anzusehen und machen lustige
Geräusche, waren früher auf jedem Bauernhof zu sehen, sind aber
heutzutage in Deutschland unsichtbar. Gehalten in Hallen und
unterirdischen Anlagen mit wirksamen Abluftfiltern hat sich das
Kulturgut Schwein zu einem Zootier entwickelt, und das trotz des hohen
Konsums von Schweinefleisch in unserem Land. Schwein und
Wienerschnitzel haben sich voneinander entfremdet, das Tier hat mit der
Mahlzeit in der Wahrnehmung vieler nichts mehr zu tun. Um jetzt allen
Yoga-Romantikern gleich einen Dämpfer zu verpassen, auch Inder essen
gerne Fleisch und auch Inder entfremden sich zunehmend von der Natur,
gerade moderne Großstadtmenschen oder gar die schon aus der Klischee-Schublade herbeigeschriebenen "Computer-Inder". Als Beweis
kann ich die schreiende Mutter mit quiekender Tochter anführen, die am
Pool beim Anblick einer zauberhaften, roten Libelle jegliche Fassung
verlor und gemeinsam mit dem Nachwuchs aus dem Wasser stürmte.
Stichwort Pool. Nun dachte ich ja ich komme eventuell doch noch zu
meinem die Weiblichkeit um- aber nicht verhüllenden nassen Sari, wie er in keinem
modernen Bollywood-Film fehlen darf. "Pool for Adults" klang schon mal gar
nicht schlecht aber so war das nicht gemeint, man hat hier lediglich
Ruhe vor den lärmenden Sprösslingen. Und im Family-Pool badet die
moderne Inderin mit einer Art Tenniskleid und halblanger Fahrradhose
darunter, zieht sich aber dennoch sofort nach dem Bad im kühlen Nass wieder um.
Also kein nasser Sari aber trotzdem, dass hier wildfremde Männer und
Frauen zusammen baden gehen wäre noch vor wenigen Jahren ein Skandal
oder Schlimmeres gewesen und ist sicher auch heute noch für viele
Konservative unvorstellbar.
Nach dem Schwimmen verbrachten wir den Nachmittag mit Lesen, Schreiben,
Essen und Faulsein, bevor uns wieder Forschergeist und Bewegungsdrang
überkamen und wir den Rundweg durch das Ressort entlang marschierten.
Durchaus lohnend, denn wir sahen Hornbill, fantastische Paradiesvögel
und im See riesige Karpfen sowie eine große Krabbe.
Geli und Mike erzählten anschließend vom eco walk, der das schlüssige
Gesamtkonzept von Orange County nur unterstreichen konnte. Auch die
Fürsorge für die Angestellten und deren Familien ist vorbildlich, es
gibt Wohnungen, Beschäftigungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten inkl.
Internetzugang und - ganz wichtig - eine Schule für die Kinder, denn
staatliche Schulen funktionieren, das haben wir nun schon mehrfach
gehört, in Indien nur unzureichend oder gar nicht.
Heute Abend wollen wir uns wieder die
Tanzveranstaltung ansehen, die uns gestern sehr viel Freude bereitet
hat, und jeden Abend anders gestaltet wird. Danach geht es zum Essen
und das ist tatsächlich auch schon der letzte Abend im Orange County
Coorg. Tröstlich nur, dass wir morgen zum in einem Naturpark gelegenen
Orange County Kabini am gleichnamigen See weiterfahren. Aber davon
morgen oder übermorgen mehr.