Beim
Frühstück waren wir nun also komplett, zumindest fast, denn Mikes
Koffer fehlte leider auf dem Gepäckband. Trotzdem starteten wir
pünktlich um 9:30Uhr, nachdem uns unsere Reiseleiterin Sopo
begrüßt hatte. Sopo spricht ein ausgezeichnetes Deutsch und, auch das
stand schnell fest, ist ein wandelndes Lexikon, und mit absoluter
Sicherheit werden die kommenden 14 Tage mit ihr ausgesprochen lehrreich
und angenehm!
Auch unser Fahrer, nun mit Namen "Arsena", war
natürlich zur Stelle, allerdings mit einem recht neuen Mercedes-Bus,
der nicht, wie gestern behauptet, seine 400.000km mit uns feiern wird.
Ruhig, gleichmäßig und routiniert fuhr er uns durch Tiflis und weiter
nach Norden zur Kreuzkirche Dschwari (Schreibweisen sind aufgrund der
Transliteration wie immer Schall und Rauch), die im 6. Jahrhundert
erbaut wurde. Details könnt Ihr bei Wikipedia oder anderswo nachlesen,
ich gebe auch ehrlich zu, dass ich weder mitgeschrieben habe, noch mir
alles merken konnte, was uns an Informationen zuteil wurde, zumal das
"Herunterbeten" aller Inhalte gefühlt die Zeitdauer eines
orthodoxen Gottesdienstes benötgen würde, etwa drei Stunden!
Nächstes
Ziel war die Swetizchoweli Kathedrale in der ehemaligen Hauptstadt
Mzcheta an der Kreuzung von Heer- und Seidenstraße, dem Ausgangspunkt
der Christianisierung Georgiens. Die Anlage ist recht groß und
wunderschön, besonders fasziniert haben mich die vielen
symbolischen
Steinmetzarbeiten an den Fassaden. Kurzzeitig hatte ich die Idee, die
Rätsel wie Indiana Jones und sein Vater lösen und anschließend in der Kirche die
richtige Kombination von Bodenplatten drücken zu können.
Für einen kleinen Eindruck der Atmosphäre hier zwei Glockenschläge des
12Uhr Geläuts:
Etwas
weiter im Norden erwartete uns dann auf dem Familienweingut Napheri
eine ganz besondere Mittagspause: Winzer Levan präsentierte
uns
die Herstellung seiner Weine nach alter georgischer Art, der
Fermentation in im Boden eingelassenen Tonamphoren, sogenannten Quevri.
Natürlich durften wir anschließend vier Weine verkosten, darunter ein
"Orange Wein", und es gab wunderbaren Käse, Salat, Auberginen mit
Walnusspaste, Datteln, Rosinen und Fladenbrot.
Gut gestärkt
setzen wir unseren Weg fort und fuhren westwärts nach Gori, der
Heimatstadt von Sopo, die
Russland 2008 angegriffen hat, um eine Einheit
Süd-Ossetiens mit
Nord-Ossetien herzustellen. Bereits vor 17 Jahren war also eigentlich
klar, was vom "lupenreinen Demokraten" im Kreml zu halten und erwarten
ist. Aufgrund dieses Erfahrungshorizonts fiel unser Besuch beim
Stalin-Museum, bei dem das Geburtshaus dieses Menschen steht, recht
kurz aus, und wir besuchten lediglich den gepanzerten Waggon, in dem
Stalin unter anderem nach Jalta reiste, der aber vorher in den Diensten
der letzten Zarenfamilie stand, und somit auch außerhalb irgendwelcher
Personenkulte einfach sehr geschichtsträchtig und sehenswert ist.
Letzte
Sehenswürdigkeit für heute, und für mich der Höhepunkt, war dann die
Kreuzkirche Atenis Sioni aus dem 8. Jahrhundert, eine "Kopie" der
Kreuzkirche Dschwari. Die Darstellungen des Marienlebens aus dem 12.
Jahrhundert sind in keinem guten Zustand mehr, aber sie lassen erahnen,
wie farbenprächtig sie einmal gewesen sein müssen. Die Kirche liegt in
einem Seitental südlich von Gori, die Landschaft hatte sich völlig
verändert, außer uns waren nur wenige Besucher dort, nach dem Trubel in
Dschwari und Swetizchoweli eine echte Wohltat. Zwei Hunde begrüßten
uns, die Schatten fielen bereits länger auf die Felsen, die Atmosphäre
war friedlich und feierlich.
Nach nur 10 Gehminuten durch die
herrliche Landschaft erreichten wir unsere Bleibe für die kommenden
zwei Nächte, das Weingut Marani des ehemaligen Kulturministers Nika
Vacheishvili. Es verfügt über eine handvoll Zimmer und liegt malerisch
unterhalb der Terrassen, auf denen der Wein angebaut wird.
Wir saßen unter einer Pergola im Freien und tranken drei Weine des
Hauses und zwei Tschatscha, Tresterbrände mit Pfirsich und
Holunderblüten, und speisten vorzüglich. Zu den uns bekannten
Köstlichkeiten gesellten sich noch ein Brot mit Krautfüllung, Paprika
mit Walnusspaste, andere Käsesorten, Tomatensalat mit Nektarinen,
Schaschlik, Bohnen- und Karottensalat, eingelegte rote Beete mit
Koreander, Pflaume und Granatapfelsaft sowie schließlich Obst zum
Nachtisch.
Nikas Frau betreute uns, der Vater
grillte die Schaschlik und spielte mit Arsena Backgammon, der
Kunsthistoriker und Ex-Minister Nika schaute auch noch vorbei und
unterhielt sich mit uns auf Deutsch, und auch der große Hund, der uns
schon vor der Kruezkirche begrüßt hatte, war wieder zugegen, da er zum
Weingut gehört.
Mit Sopo, die wir erst 12 Stunden kennen, unterhielten wir uns über die
wichtigen Dinge des Lebens, wie Krieg und Frieden, immer wieder
unterbrochen von positiven Trinksprüchen, die wir reihum ausbrachten,
gefolgt von einem kräftigen "gaumajos" (zum Wohl).